Es ist nicht egal, was wir essen. Die Einkaufsgemeinschaft FoodCoop Biel/Bienne fördert den sorgfältigen Umgang mit Mensch, Tier und Umwelt in der regionalen Lebensmittelproduktion.
Die Grossverteiler und die Nahrungsmittelindustrie – sowohl in der Schweiz und weltweit – gewährleisten keinen nachhaltigen Umgang mit Mensch, Tier und Umwelt. In Anbetracht der Klima- und Ökologiekrise und dem Bauernhofsterben, sucht die FoodCoop Biel/Bienne nach einer Lösung. Sie greift auf ein altes Erfolgsmodell zurück: Die Konsumgenossenschaft. Die Mitglieder der Genossenschaft sollen mit gesunden, hochwertigen und nachhaltig produzierten Lebensmitteln versorgt werden. Dabei steht nicht der Konsum, sondern die Produktion im Vordergrund. Wir kennen die Produzent:innen und erfahren, wo und wie die Güter hergestellt und verarbeitet werden. Wenn möglich, sollen die Produkte vor Ort hergestellt werden: in einer lokalen Bäckerei, Molkerei oder Metzgerei. Die Genossenschafter:innen können mitentscheiden wo eingekauft wird. Die vermeintlich klaren Grenzen von Konsum und Produktion werden damit vermischt. So soll die Wertschätzung gegenüber dem regionalen Lebensmittelhandwerk gesteigert und die lokale Ernährungssouveränität gestärkt werden.
Regionale Lebensmittel – eine grosse Auswahl
Die FoodCoop Biel/Bienne steht ganz am Anfang. Zurzeit besuchen wir Produzent:innen, lernen ihre Betriebe kennen und entscheiden uns, welche Produkte wir kaufen wollen. Wir waren überrascht, wie gross die Auswahl an fair und ökologisch produzierten Lebensmitteln in der Region Biel/Seeland, ja schon nur auf städtischem Gebiet, ist. Da gibt es zum Beispiel einen Tofu-Hersteller und eine Spirulina-Zucht im Quartier, eine benachbarte Käserin, die veganen Käse herstellen kann, aber noch keine passenden Räumlichkeiten und Finanzierung dafür hat. Wir haben eine Ölmühle im Jura kennengelernt, die feinstes Rapsöl und Sonnenblumenöl herstellt, es gibt Brauereien, Röstereien und natürlich gibt es zahlreiche Bäuerinnen und Bauern die mit höchster Sorgfalt und Hingabe Gemüse, Früchte, Getreide, Kräuter, Wein, Milchprodukte und Fleisch produzieren. Dabei handelt es sich oft um Kleinstbetriebe, die sich nicht aktiv um Marketing kümmern können oder sich nicht dem Druck der Grossverteiler unterstellen möchten. Wir wollen sie in unsere Genossenschaft integrieren und eine gewisse Abnahme garantieren.
Die Kriterien – à discuter
Wie wählen wir Produzent:innen aus? Die Genossenschafter:innen definieren zusammen Kriterien. Sich einig werden ist nicht einfach. Natürlich sollen die Lebensmittel regional, ökologisch und fair produziert werden. Für die einen war schnell klar: alle Betriebe müssen biozertifiziert sein! Ein junger Winzer hat uns dann eindrücklich erklärt, wie er sein kleines Weingut betreibt und warum ihn die „Bio-Knospe“ nicht überzeugt. Bio-Labels geben uns ein falsches Gefühl, so seine Überzeugung. Nur weil man die Kriterien der Biozertifizierung erfülle, sei der Eingriff der Landwirtin in die Natur nicht unbedenklich. Er sei sich seiner Rolle gegenüber der Umwelt bewusst und sehe, dass auch er in die Natur eingreife und ihr in mancher Hinsicht auch schade. Ihm sei es wichtig, möglichst viel in Handarbeit zu bewerkstelligen, so sorgfältig wie möglich zu produzieren und so wenig wie möglich auf Zusatzstoffe zurückzugreifen. Die Bio-Richtlinien seien ihm dabei zu wenig streng. Diese Sichtweise überzeugt und wir haben Vertrauen in den Winzer und seiner Art zu produzieren. Bio-Labels bieten eine Orientierung, aus unserer Sicht gibt es aber auch andere wichtige Kriterien.
Der Quartierladen
Wir träumen gross: Ein Ladenlokal wollen wir füllen mit guten, gesunden und fair produzierten Lebensmittel aus unserer Region. Wir wollen einen Begegnungsort für das Quartier schaffen, der Austausch und Gemeinschaft bietet. Unser zukünftiges Ladenlokal muss erst noch gebaut werden. Wir stehen im Austausch mit einer Wohnbaugenossenschaft, die eine Überbauung mit Gewerbefläche plant. Falls alles klappt, können wir 2025 einrichten. Und bis dahin? Wir wollen unsere Idee erst einmal im Kleinen testen. Bereits im Herbst 2022 wollen wir als FoodCoop Biel/Bienne zum ersten Mal einkaufen und unsere Mitglieder beliefern. Ziel ist es, kostendeckend und gewinnfrei zu wirtschaften. Dabei wollen wir keine Konkurrenz für etablierte Gemüse-Abonnements sein und beschränken uns auf die übrigen Lebensmittel. Die Besuche bei den Produzent:innen hat gezeigt: Die Auswahl ist gross und überzeugend.
Die Zukunft- wir gestalten sie selbst
Unsere Motivation ist gross. Uns ist dennoch bewusst, dass das Projekt auch Hürden mit sich bringt. Als Einkaufsladen werden wir nicht konkurrenzfähig sein mit einer Filiale eines Grossverteilers. Wir sind angewiesen auf Mitglieder, die mitarbeiten, mitdenken und vor allem bei uns im Laden einkaufen. Wir sind aber überzeugt von unserer Vision. Denn wie gesagt, es ist nicht egal wie wir konsumieren. Wir haben eine Verantwortung gegenüber der Umwelt, den Tieren und Landwirt:innen. Die Distanzierung von Konsument:innen und Produzent:innen, die in den letzten Jahrzehnten durch Grossverteiler und Nahrungsmittelindustrie vorangetrieben wurde, hat aus unserer Sicht ausgedient. Und so gestalten wir unsere Zukunft selbst: Wir vernetzen uns, bauen Vertrauen auf und geniessen gutes Essen in einer Gemeinschaft. Ein überzeugendes Konzept, das grossen Spass macht. Und wer weiss, vielleicht können wir in drei Jahren von ersten Erfolgen berichten.
Katja Mettler ist Geologin, wohnt in Biel und isst gerne. Sie engagiert sich beruflich und ehrenamtlich für die Umwelt.