Eine kleine Geschichte der Lebensmittelrettung. Ueli Gassner ist Biobauer in Ipsach, führt den Hof nach den Regeln der regenerativen Landwirtschaft, Elementen der Permakultur und Agroforesting. Sein Hof ist der letzte in der Gemeinde Ipsach, der noch in Betriebg ist, denn Landwirtschaft lohnt sich vielerorts aufgrund des immensen Preisdruckes leider nicht mehr. Umso schmerzhafter, wenn man auf rund 800 kg Kartoffeln sitzen bleibt, wie dies bei Ueli Gassner diesen Herbst der Fall war. Mit einer Mail kontaktierte er unsere Plattform «Stadt ernähren» (https://stadt-ernaehren.ch) und bot uns seine Biokartoffeln zu einem unverschämt günstigen Preis an – für 20 Rappen das Kilo.
Faire Preise sind kein Luxus!
Landwirtschaft ist mehr wert, sagten wir uns und haben den Preis erhöht, wobei wir uns an den Richtpreisen der Bioorganisationen orientierten. Im Gegensatz zu vielen anderen Food Save Aktionen wollen wir keine Dumpingpreise anbieten, weil dies die Negativspirale bei den Preisen zusätzlich befeuert. Katharina Schatton, Gewerkschaftssekretärin bei der bäuerlichen Organisation Uniterre, unterstrich dies gegenüber den Medien anlässlich der Eröffnung des ersten Food Save Marktes im Bieler Schlachthof am 7. Dezember 2022: «Die Produkte sollen möglichst billig und gleichförmig sein. Die Ansprüche, die die Grossverteiler heute an landwirtschaftliche Produkte stellen, sind absurd und bringen den Konsumierenden genauso wenig wie den Bäuerinnen und Bauern selbst.»
Nach der Mail von Ueli Gassner lancierten wir kurzerhand den Food Save Market und boten auf unserer Online-Plattform die Möglichkeit, die Kartoffeln vorzubestellen und auch für Armutsbetroffene zu spenden. Die Ware konnte dann am 7. Dezember auf dem Schlachthof abgeholt werden.
Das Angebot wurde rege genutzt… Schliesslich konnten wir rund 650 kg Kartoffeln verkaufen und rund 250 kg Kartoffeln dem Verein Carton du Coeur spenden. Die Leiterin Chantal Dutoit bedankte sich mit den Worten: «Kartoffeln gehören zu den Grundnahrungsmitteln, die wir kostenlos an unsere Empfänger*innen liefern. Zurzeit erhalten wir viele Hilfsgesuche und unser Lieferplan ist jeden Tag voll, sodass wir eure Spende in den nächsten Wochen sehr gut gebrauchen können.» Auch die Gassenküche wurde berücksichtigt, und zwar mit einem vielfältigen Sortiment: Nebst den Kartoffeln boten wir schliesslich rund 15 verschiedene Gemüse und Früchte von vier regionalen Produzent*innen an, darunter das Farngut und der Eichhof.
Der Verein Robin Food, der sich seit langem für die Lebensmittelrettung in Biel einsetzt, servierte an seinem Stand zur Freude der Kund*innen Café, Ingwer-Tee und Pommes Frites. Die Wildkräuterköchin Aline Burren kochte einen schmackhaften Eintopf. Mit rund 80 Besucher*innen und vielen schönen Begegnungen war die «Rettungsaktion» ein voller Erfolg.
Deshalb machen wir weiter und freuen uns schon heute auf den zweiten Food Save Market vom Mittwoch, 25. Januar 2023 von 11.00 – 14.00 Uhr im Schlachthof. Wiederum mit feiner Küche, einem vielfältigen Lebensmittelangebot und Musik.
Mit dem Food Save Market eröffnen wir eine zusätzliche Vermarktungsmöglichkeit für die regionale Landwirtschaft und schaffen die notwendige Sensibilisierung zur Food Waste Problematik: Rund ein Drittel aller Lebensmittel geht auf dem Weg vom Feld auf den Teller verloren oder wird verschwendet. Das darf nicht sein!
Mathias Stalder ist Koordinator des Netzwerkes Stadt ernähren/Nourrir la ville und Mitgründer der Foodcoop Biel-Bienne.