Wohl überlegt und «nachem Gspüri». Biobauer Markus Bucher aus Grossaffoltern will seinen Hof «Farngut»renaturieren, denn die aktuelle Landwirtschaft geht zunehmend auf Kosten von Mensch und Natur.
Mathias Stalder
Es steht nicht gut um die Landwirtschaft: Die Preise, die Löhne, die Bodenqualität, die Biodiversität und der Ressourcenverschleiss. Markus Bucher stellt alles radikal in Frage. Wir stehen auf seinem Acker in Grossaffoltern. Der 45-jährige Betriebsleiter erklärt sich. Als Träumer oder Spinner werde er wahrgenommen, aber es arbeite in ihm. «Es bereitet mir keine Freude mehr, diese Wüste anzusehen», sagt er und zeigt auf das Knoblauchfeld, von hier bis zum blauen Himmel. Seit 2005 hat er sich der scharfen Knolle verschrieben – auf Anfrage von Swiss Alpine Herbs in Därstetten, die auf der Suche waren nach Bio-Knoblauch aus der Schweiz. Nach vier Jahren und etlichen Rückschlägen brachte er die erste erfolgreiche Ernte ein – eine Pionierleistung. Heute liegt die Knoblauchanbaufläche auf dem Farngut bei rund 15 Hektaren. Ende Juni ist jeweils Erntezeit. Pastinaken, Süsskartoffeln, Blumenkohl, Karotten, Kürbis, Krautstiel und Kohlrabi ergänzen das Sortiment. Via Terraviva, eine Vermarktungsorganisation, der über 80 Bio Früchte- und Gemüseproduzenten angeschlossen sind, beliefert Markus Bucher Migros und Coop.
Doch der Boden, die Natur und auch er sind «ausgelaugt». «Denn wir befinden uns in einer Sackgasse», sagt der Bauer. Es ist spürbar, dass er grundlegend die Landwirtschaft neu denken und gestalten will. Als Beispiel dafür zieht er den Humus heran: Trotz Gründüngung und Komposteinsatz liege der Anteil der zersetzten organischen Substanz bei nur 2 Prozent der Bodenschicht. Der natürliche Humusanteil lag früher bei 5 bis 10 Prozent. Ute Scheub, Mitautorin von «Die Humusrevolution», spricht bei 1 bis 2 Prozent «schon fast von Wüstenböden».
Die „Wüste“ beleben
In einem ersten Schritt will Markus Bucher ein grossflächiges Ökosystem gestalten. Bereits ist ein kleiner Streifen in diesem Prozess, wir dürfen diesen aus Respekt vor dem Werden nicht betreten. Der eingefriedete Teil ist ein buntes Wuchern verschiedenster Laub- und Nadelbäume sowie Sträucher. Wir können es nur erahnen. Dieser erste Schritt kann fünf Jahre dauern. Dann will er in den renaturierten Flächen die Produktion zurückbringen, ohne die Natur wieder zu verdrängen. In einem dritten Schritt möchte er das Gelernte vermitteln und zugänglich machen, so dass auch andere Höfe seinem Beispiel folgen können.
Aktuell befindet sich das Projekt im Aufbau, und eigentlich ist es noch zu früh, darüber zu berichten. Aber bereits im Herbst 2019 will Bucher an die Umsetzung gehen. Vielleicht erstmal mit einer Hektare. Das hängt sicher auch von der Unterstützung ab, denn InteressentInnen können Quadratmeterweise mit einem jährlichen Beitrag die Renaturierung finanzieren, so die Idee.
Der Digitalisierung und Robotik ist Markus Bucher bei alledem nicht abgeneigt, im Gegenteil. Kleine autonome Geräte statt Traktoren sollen den Hof in Zukunft prägen. Seine Erklärung: Seine beiden Kinder, 16 und 18 Jahre alt, lernen Forstwart und Automatiker: «Wenn ich die beiden dazu ermuntern will, in einer Mischkultur von Hand gezielt einen Blumenkohl zu pflanzen oder an einer bestimmten Stelle einen Büschel Karotten zu ernten, wird es schwierig. Wenn ich sie aber frage: Könnt ihr mir ein Gerät bauen, das diese Arbeiten ausführen kann, sind sie motiviert, weil sie gefordert werden. Die Technisierung darf aber nicht auf Kosten der Natur gehen», präzisiert Markus Bucher.
«Wo bleibt der Mensch?», fragt der Kleinbauer Hans-Georg Bart, der an diesem Tag auch bei der Begehung dabei ist. «Der Mensch ist aus der Landwirtschaft raus», meint Markus Bucher. Weniger als 3 Prozent der Bevölkerung seien noch in der Landwirtschaft tätig. Auch wenn das Interesse an der Landwirtschaft wieder wachse, die intensive Arbeit und die schlechte Bezahlung machten es gar schwierig, ausländische Arbeitskräfte zu finden.
Der Auslöser
Zu Beginn seiner Zeit als Betriebsleiter setzte Markus Bucher auf die Munimast und stockte auf 200 Tiere auf. Die Aufzucht setzt einen prophylaktischen Antibiotikaeinsatz voraus. Die immer neuen Resistenzen verlangten nach wirksameren Antibiotika – ein Teufelskreis. Diese Intensivhaltung gab er 2001, vier Jahre nach der Hofübernahme, gänzlich auf und stellte auf Bio-Knospe um. Davor hatte er drei Betriebsberater kommen lassen. Die Zahlen stimmten. Der Erste empfahl: Weitermachen. Der Zweite: weitermachen, und wenn er keine Lust mehr dazu habe, verkaufen. Der Dritte riet ihm: «Du musst das machen, was dir Freude bereitet.» Diesen Ratschlag nahm Markus Bucher gerne an, auch wenn der grosse Plan noch nicht auf dem Tisch war. «Sobald ich ein Problem erkenne, kann und will ich das auch ändern.» Er setzte sich vermehrt mit Gesundheitsaspekten sowie der Permakultur auseinander.
80 Jahre Agrochemie sind eine kurze Zeitspanne in der Menschheitsgeschichte, die negativen Auswirkungen aber klar erkennbar: degradierte Böden, kontaminierte Gewässer und die schwindende Biodiversität. Das macht Markus Bucher zu einem überzeugten Verfechter der Trinkwasser-Initiative. Die Erhöhung der Biodiversität, der nachhaltige Schutz des Bodens als Co2– und Wasserspeicher, der Aufbau der Bodenfruchtbarkeit, resiliente Agroökosysteme und lokal angepasstes Saatgut. Das alles bedingt auch Unabhängigkeit gegenüber der Agrarindustrie. Schon jetzt ist sicher: Bucher wird wertvolle Impulse für eine naturnahe und regenerative Landwirtschaft in der Region schaffen.
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Mathias Stalder, Gewerkschaftssekretär der Bäuerinnen- und Bauernorganisation Uniterre und ehemals Geschäftsleiter Ernährungsrat Region Biel (erca).
Das Grosse Moos Überschwemmungen, lange Trockenperioden – die Wetterextreme nehmen zu. Eine Herausforderung für das Seeland als «Gemüsegarten der Schweiz». Aber auch den Verlust der wertvollen Moorböden, die austretenden Treibhausgase und die intensive Landwirtschaft gilt es zu benennen. Die Interessengemeinschaft «Pro Agricultura Seeland» hat an einer Tagung Anfang März 2018 eine 3. Juragewässerkorrektion vorgeschlagen. Dagegen opponiert «Pro Natura». Denn eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft kann mit einem unwiederbringlichen Verlust unserer Lebensgrundlagen einhergehen. Raphael Weber, Chefredaktor des Pro Natura Magazins, schreibt in der März-Ausgabe: «Der Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten ging verloren. Die Geschichte der Juragewässerkorrektion ist auch die Geschichte einer der grössten Naturzerstörungen unseres Landes.» 150 Jahre nach der ersten Juragewässerkorrektur können wir die Weichen nun neu stellen: Mehr Raum für die Aare, mehr Naturflächen und eine standortgerechte Produktion, etwa mit Reisfeldern. Naturnah statt intensiv! |